Sibylle v. Olfers: Etwas von den Wurzelkindern

„Wacht auf, wacht auf, ihr Kinderlein, es wird nun wohl bald Frühling sein!“

Mutter Erde

Über das Buch

Sibylle von Olfers war Kunsterzieherin und Ordensschwester. Sie lebte zur Jahrhundertwende vom 19. Zum 20. Jahrhundert im Landkreis Königsberg. 1906 mit  nur 25 Jahren erschuf sie ihr bekanntestes Buch: „Etwas von den Wurzelkindern“.

Sie hat darüber hinaus noch andere Bücher gestaltet, allerdings sind die Wurzelkinder ihr Meisterwerk und das vollendetste Buch aus ihrem Oeuvre.

Inhalt

Erzählt wird vom Kreislauf der Jahreszeiten. Dabei werden die Prozesse der Natur personifiziert. Mutter Natur schickt ihre Kinder: Blumen, Gräser, Käfer und Insekten im Frühling in die Welt hinaus. Dort erkunden sie ihre Umgebung und spielen in Wald und Wasser.
Als es Herbst wird und die kalten Winde wehen, kehren sie zur Mutter Erde zurück, um in ihrem Schoß zu schlafen bis zum nächsten Frühjahr.
Erzählt wird die Geschichte in Versform und jede Strophe wird dabei von einer Abbildung flankiert.

Visuelle Gestaltung

Geprägt vom Jugendstil und inspiriert von englischen Bilderbüchern ist jede Seite liebevoll und detailreich gestaltet. Eingepasst sind die Bilder jeweils in einen Rahmen aus Rankenwerk. Oder die Erde ist wie eine Rahmung angebracht, wobei die Durchwurzelung zu fantasievollen Ornamenten wird.

Lebendige Details wie Insekten, Blumen, Ähren oder Blätter sind der jeweiligen Jahreszeit bzw. dem zentralen Bild angepasst.
Die Abbildungen selbst sind häufug spiegelbildlich angeordnet und durch die Betonung des Linearen stark ästhetisiert. Die Formensprache des Jugendstils passt zur lyrischen Auffassung von Naturprozessen und bietet allein durch die Betrachtung höchsten Genuss fürs Auge.

Psychologische Ebene

Schon früh wurde das Buch psychologisch gedeutet. Die Kinder die aus dem Schoß der Mutter Erde kommen und dort Sicherheit und Aufnahme in stürmischer Zeit finden, wurde symbolisch als Entwicklung des Urvertrauens gesehen.
Eine solche Deutung mag ihre Berechtigung haben und sicherlich empfinden Kinder bei der Betrachtung der Bilder die Nähe und Schönheit der Natur und entsprechend auch Geborgenheit.

Darüber hinaus besitzt das Buch jedoch archetypische Motive und die Personifizierung der Mutter Erde als alte Frau und die zyklische Darstellung der Jahreszeiten entsprechen Vorstellungen eines kollektiven Unterbewusstseins. Sie werden so intuitiv aufgenommen und verstanden.

Empfehlung

Tatsächlich hat das Buch in der Zwischenzeit seinen Platz in elterlichen Regalen gefunden zwischen Kunstbüchern und Bildbänden. Dieser Platz ist aufgrund der visuellen Umsetzung und der Verschmelzung von romantisierter Naturbetrachtung mit dem Jugendstil durchaus berechtigt. Allerdings nicht nur.
Kinder lieben es in den detailreichen Bildern Motive zu entdecken und verlieren sich in der Betrachtung der Blumenmädchen und –Jungen. Auch die in Versen erzählte Geschichte vom Lauf der Jahreszeiten entspricht dem Verständnis von Kindern und vermittelt wie oben besprochen Geborgenheit und Sicherheit. Nicht umsonst ist dieses Buch seit über hundert Jahren ein Klassiker der Kinderbuchliteratur.

Chiaki Okada, Ko Okada: „Bist Du der Frühling?“

„Wenn ich im nächsten Jahr wieder komme, weißt Du mehr über Dich und die Welt. Ich hoffe aber, dabei geht Dir der magische Blick auf die Schönheit der Dinge nicht verloren.“

Ein Versprechen des Frühling

Über das Buch

Die japanische Illustratorin Chiaki Okada ist für ihre einfühlsamen Bilder aus Sicht des Kindes bekannt und für ihre poetischen Naturdarstellungen. Gemeinsam mit ihrem Mann Ko Okada schrieb sie „Bist Du der Frühling?“ Es ist ihr erstes Kinderbuch in deutscher Übersetzung. Die Geschichte und die Bilder sind universell und besitzen über kulturelle Grenzen hinaus Gültigkeit.

Inhalt von „Bist Du der Frühling?“

Im tief verschneiten im Wald lebt eine Hasenfamilie. Die drei großen Hasenkinder können schon auf Bäume klettern. Von dort können sie bis zum Meer blicken und sehen, wann endlich der Frühling kommt.
Das kleinste Hasenkind wünscht sich nichts sehnlicher als groß zu werden: damit es auch endlich auf Bäume klettern und den Frühling sehen kann.
Eines Tages trifft es ein großes Wesen im Wald. Dieses hebt das kleine Hasenkind auf den Baum und endlich kann es auch bis zum Meer blicken, wo der Schnee bereits weg taut.
Kann es sein, dass ihm der Frühling begegnet ist?

Visuelle Gestaltung

Mit Betonung auf Farbnuancen und dem malerischen Element zeigen die Darstellungen poetische Naturansichten. Zarte Aquarellfarben unterstreichen die sanfte und lyrische Wirkung der Bilder.
Der Stil ist naturalistisch gehalten und entspricht in der Vereinfachung der Darstellung und mit den weichen Pastellfarben der Magie der Erzählung.
Allein die Betrachtung des Buches ist ein Genuss!

Psychologische Ebene

Die Vorstellungswelt des kleinen Hasen entspricht der magischen Phase in der Entwicklung des Kleinkindes. Einen abstrakten Begriff wie den Frühling und den Gang der Zeit zu verstehen, vermag das Hasenkind noch nicht. Aber in der Begegnung mit dem Bären personifiziert sich die abstrakte Vorstellung und in seiner eigenen Gedankenwelt gehört der kleine Hase nun auch endlich zu den Großen.

Empfehlung

Jedes Kind kennt das Gefühl des Unvermögens, wenn es etwas nicht kann. Oder wenn es etwas nicht darf, das die Großen schon tun. Und jedes Kind kennt den Wunsch, auch endlich „groß“ zu sein.
Aus Sicht der Erwachsenen paart sich Wehmut in die Betrachtung. Er weiß, dass mit dem Wissen um den Lauf der Dinge und mit der Erkenntnis um Zeit die magische Sichtweise des Kindes verloren geht.  Umso mehr lohnt es sich mit diesem Buch wieder einzutauchen in die Weltsicht des Kindes und den Zauber der Jahreszeiten aus dem Blickwinkel eines Kindes zu betrachten.

Ein wundervolles Kinderbuch voll Poesie und Tiefe.