Hans Limmer: Mein Esel Benjamin

„Wenn Du nur richtig zuhörst, kannst Du uns Tiere verstehen!“

Der Esel Benjamin

Über das Buch

Für mich ist das gemeinsame Lesen dieses Buches etwas ganz Besonderes, da sich hier die Erinnerung an meine eigene Kindheit mit der Begeisterung meiner Tochter für die Geschichte verbindet. Erzählt wird von einer Freundschaft zwischen eines kleinen Mädchens mit einem Esel.

Das Buch basiert auf einer wahren Begebenheit. Mit Ausnahme des Vaters, der von einem Künstler gemimt wurde, spielen die Protagonisten sich selbst. Der befreundete Fotograf Lennart Osbeck hat die Szenen fotografiert. Diese persönliche Ebene trägt zur Authentizität bei und begründet wohl seinen Erfolg.

Das Buch wurde in mehrere Sprachen übersetzt und gilt als Kinderbuchklassiker. Inzwischen ist die zweiundvierzigste Auflage erschienen.

Inhalt

Erzählt wird von Susi, die mit ihren Eltern und ihrer kleinen Schwester auf Rhodos wohnt. Eines Tages findet Susi mit ihrem Papa einen Esel. Sie retten ihn aus einer ausweglosen Situation und nehmen ihn mit nach Hause. Zwischen Susi und dem Esel entwickelt sich eine ganz besondere Freundschaft.

Gemeinsam unternehmen Susi und der  Esel Benjamin eine heimliche Tour über die Insel und verlaufen sich dabei. Als sie endlich wieder zurückkehren, werden sie mit offenen Armen aufgenommen. Der Esel wird nun als vollständiges Familienmitglied anerkannt und darf bleiben.

Visuelle Gestaltung:

Bebildert ist die Geschichte mit schwarz-weißen Fotografien. Diese portraitieren den Esel und das kleine Mädchen. Gleichzeitig begleiten sie die Erzählung mit narrativen Szenen, welche den Alltag der Familie einfangen. Dem poetischen Zauber, der von diesen Fotografien ausgeht, kann man sich nur schwer entziehen.

Kinder lieben die besondere Gattung „Kinderbuch mit Fotografie“. Schon kleine Kinder betrachten entsprechende Bildwörterbücher fasziniert und auch Kleinkinder lieben Bücher mit „echten“ Bildern. Sie vermitteln eine besondere Realitätsebene. Wie hier gekoppelt mit einer Identifikationsfigur und einer spannenden Geschichte sind sie besonders fesselnd.

Psychologische Ebene

Das Buch thematisiert eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen Mensch und Tier. Der unmittelbare Zugang und die gleichzeitige Wertschätzung, welche Kind und Tier sich instinktiv entgegenbringen wird greifbar.

Gleichzeitig zeigt das Buch, wie Kinder Urvertrauen zu ihren Eltern entwickeln. Susi und Benjamin machen sich früh morgens heimlich davon und verlaufen sich unterwegs, gemeinsam finden sie aber den Weg zurück.
Die Eltern schimpfen oder strafen nicht, sondern vermitteln dem Kind, dass sie darauf vertrauten, dass es wiederkommt. Sie zeigen, dass sie froh darüber sind und heißen es willkommen.

Empfehlung

Die Freundschaft zwischen Tier und Kind wird auf so eindringliche und entzückende Weise dargestellt, dass sich die Kinder sofort damit identifizieren. Aus den Bildern ist die Geschichte auch nachvollziehbar, so dass sich das Buch sowohl zum Vorlesen, als auch als Silent Book eignet.

Meine kleine Tochter war sofort berührt und begeistert. Sie wollte die Geschichte wieder und wieder hören. Natürlich wollte sie sofort, wie auch ich schon als Kind, einen Esel zum Haustier. Inzwischen schaut sie das Buch auch gerne alleine an. Sie erzählt sich dann die Geschichte und kommentiert die Bilder.

Sibylle v. Olfers: Etwas von den Wurzelkindern

„Wacht auf, wacht auf, ihr Kinderlein, es wird nun wohl bald Frühling sein!“

Mutter Erde

Über das Buch

Sibylle von Olfers war Kunsterzieherin und Ordensschwester. Sie lebte zur Jahrhundertwende vom 19. Zum 20. Jahrhundert im Landkreis Königsberg. 1906 mit  nur 25 Jahren erschuf sie ihr bekanntestes Buch: „Etwas von den Wurzelkindern“.

Sie hat darüber hinaus noch andere Bücher gestaltet, allerdings sind die Wurzelkinder ihr Meisterwerk und das vollendetste Buch aus ihrem Oeuvre.

Inhalt

Erzählt wird vom Kreislauf der Jahreszeiten. Dabei werden die Prozesse der Natur personifiziert. Mutter Natur schickt ihre Kinder: Blumen, Gräser, Käfer und Insekten im Frühling in die Welt hinaus. Dort erkunden sie ihre Umgebung und spielen in Wald und Wasser.
Als es Herbst wird und die kalten Winde wehen, kehren sie zur Mutter Erde zurück, um in ihrem Schoß zu schlafen bis zum nächsten Frühjahr.
Erzählt wird die Geschichte in Versform und jede Strophe wird dabei von einer Abbildung flankiert.

Visuelle Gestaltung

Geprägt vom Jugendstil und inspiriert von englischen Bilderbüchern ist jede Seite liebevoll und detailreich gestaltet. Eingepasst sind die Bilder jeweils in einen Rahmen aus Rankenwerk. Oder die Erde ist wie eine Rahmung angebracht, wobei die Durchwurzelung zu fantasievollen Ornamenten wird.

Lebendige Details wie Insekten, Blumen, Ähren oder Blätter sind der jeweiligen Jahreszeit bzw. dem zentralen Bild angepasst.
Die Abbildungen selbst sind häufug spiegelbildlich angeordnet und durch die Betonung des Linearen stark ästhetisiert. Die Formensprache des Jugendstils passt zur lyrischen Auffassung von Naturprozessen und bietet allein durch die Betrachtung höchsten Genuss fürs Auge.

Psychologische Ebene

Schon früh wurde das Buch psychologisch gedeutet. Die Kinder die aus dem Schoß der Mutter Erde kommen und dort Sicherheit und Aufnahme in stürmischer Zeit finden, wurde symbolisch als Entwicklung des Urvertrauens gesehen.
Eine solche Deutung mag ihre Berechtigung haben und sicherlich empfinden Kinder bei der Betrachtung der Bilder die Nähe und Schönheit der Natur und entsprechend auch Geborgenheit.

Darüber hinaus besitzt das Buch jedoch archetypische Motive und die Personifizierung der Mutter Erde als alte Frau und die zyklische Darstellung der Jahreszeiten entsprechen Vorstellungen eines kollektiven Unterbewusstseins. Sie werden so intuitiv aufgenommen und verstanden.

Empfehlung

Tatsächlich hat das Buch in der Zwischenzeit seinen Platz in elterlichen Regalen gefunden zwischen Kunstbüchern und Bildbänden. Dieser Platz ist aufgrund der visuellen Umsetzung und der Verschmelzung von romantisierter Naturbetrachtung mit dem Jugendstil durchaus berechtigt. Allerdings nicht nur.
Kinder lieben es in den detailreichen Bildern Motive zu entdecken und verlieren sich in der Betrachtung der Blumenmädchen und –Jungen. Auch die in Versen erzählte Geschichte vom Lauf der Jahreszeiten entspricht dem Verständnis von Kindern und vermittelt wie oben besprochen Geborgenheit und Sicherheit. Nicht umsonst ist dieses Buch seit über hundert Jahren ein Klassiker der Kinderbuchliteratur.